Yogaübungen gestalten – Das Üben mit Vorstellungen und seine stärkende Wirkung

Die Besonderheit dieser von Heinz Grill entwickelten Übungsweise ist nicht ein bestimmter Stil oder eine äußerliche Technik, sondern das Hinzunehmen und Bilden von Vorstellungen zu der Übung und das damit verbundene Entwickeln von Empfindungen zur Bewegung.

“Indem ein Vorstellungsbild nach idealen Voraussetzungen gedacht wird, nähert sich die Ausführung langsam dem gewünschten Ideal an.” (Heinz Grill, Ein neuer Yogawille, S.26)

Unter Vorstellungsbildung versteht man grundsätzlich das bildhafte, konkrete sich vor Auge führen von einer bestimmten Haltung oder Bewegung. Man stellt sich eine Bewegung in ihrem Ideal länger bewusst vor, und dann führt man diese aus. Durch die Vorstellung hat man ein inneres Leitbild. Der vielleicht bekanntere Prozess der Visualisierung ist in dieser Yogaübungsweise noch etwas weiterentwickelt. Man stellt sich nicht nur die äußerliche Yogahaltung bildhaft vor, sondern auch konkrete Inhalte und Bewegungsformen, die man in der Bewegung selbst genau so ausgestalten möchte.

“In den verschiedenen Bewegungsformen, die aus einer aktiven Umsetzung einer vorweg vorgenommenen Vorstellung kreiiert sind, entwickeln sich bestimmte, spezifische Erlebensformen.“(Heinz Grill, Seelendimension des Yoga, S.185)

Das liegende Dreieck, anantasana und die Gliederung in drei Abschnitte: dynamische Beine, verbindende Mitte, leichte Arme

Man beginnt die Übung mit einer bestimmten Idee. Man bleibt auch in der Übung dann mit dem Bewusstsein aktiv, beobachtet und nimmt achtsam, bewusst und aufmerksam den Körper wahr und kann ihn frei weiter gestalten.

Von Heinz Grill wurden und werden viele zu den Yogaübungen grundlegende Vorstellungen erarbeitet. Man lernt mit diesen Gedanken den Körper mit bewusster Zentrierung und Loslöung, mit einer zentripetalen und zentrifgalen Dynamik, einem Aufsteigen und Loslassen, einer Bewusstheit zur äußeren Umgebung und zu einem inneren Zentrum zu formen und zu gestalten. Die Wirbelsäule als zentrale Achse mit bestimmten Zentren steht dabei mit Mittelpunkt. Aus bewussten Vorstellungen entstehen für die Übungen dann neue Empfindungen.

Das Dreieck und die Dreigliederung: Die Stabilität im Stand, die Dynamik in der Mitte und die Leichtigeit in den Schultern und Armen


Beispiele für Vorstellungsinhalte

Die Dreigliederung

Ein Inhalt zur Gestaltung von Yogaübungen ist die Dreigliederung. Man achtet in den Übungen darauf, dass man den Körper in drei Zonen gliedert. Die Hüfte ist ruhig und zentriert, die Mitte der Brustwirbelsäule bildet das Zentrum der Dynamik, Die Schultern und der Halsbereich und die Arme bleiben leicht. (weiterlesen)

Bodennähe und Beindynamik in der weiten Dehnung

Man zieht die Beine richtig gehend zum Körper heran. Es kommt zu einer empfindungsmäßen Zentrierung im Kreuzbein. Schließlich wechselt man zur gegenteiligen Bewegung und lässt in der unteren Lendenwirbelsäule die Beine nun wieder bis über die Zehenspitzen hinaus ausgleiten. Die Beine gleiten dann über den Boden vom Körper hinweg. (weiterlesen)

Leichtigkeit durch Zentrierung im Schulterstand

“Der Schulterstand, der in Sanskrit sarvangasana genannt wird, entwickelt sich aus der Herzmitte in eine fließend aufsteigende Bewegung. Er zeigt in der Endphase Ruhe und Vertikalität, ein Fließen von Kräften aus der Mitte in die Gliedmaßen und ein zurückwirkendes In-Sich-Sammeln.” (Aus: 3 Säulen für die Zukunft, der Schulterstand, Heinz Grill – Link zum Artikel: https://heinz-grill.de/corona-menschl…

Das liegende Dreieck– die Dreigliederung

Im liegenden Dreieck, anantasana liegt der Körper in einer langen Längslinie seitlich am Boden und spannt mit einem Arm und Bein nach oben ein Dreieck. Im liegenden Dreieck kann man den Körper in drei verschiedene Abschnitte bewusst gliedern und gestalten: Die Mitte der Wirbelsäule, das sogenannte Sonnengeflecht bildet das aktive Zentrum der Dynamik. Der obere Bereich von Arme, Hals und Kopf fügt sich entspannt aber dennoch klar ausgerichtet, in die Linie ein, der untere Hüft-und Beinbereich strömt dynamisch nach hinten aus. Die Beine sind aktiv und fließen nach hinten aus und geben der Übung einen Halt, sodass man nicht in der Kreuzbeinregion hinwegkippt.

Diese Gliederung in drei Bereiche benennt Heinz Grill mit dem Begriff der Dreigliederung. Man erlebt, wie diese drei Bereiche in der Übung bewusst zusammenwirken. Das liegende Dreieck ist eine Übung, in der man diese Gliederung sehr gut zum Ausdruck bringen kann.

Die Gliederung in drei Zonen: Dynamik, aktive Mitte, Entspannung

Dynamik und Entspannung begegnen sich deshalb in der Mitte des Körpers und fördern das Empfinden von einer Verbindung zwischen oben und unten.” (Heinz Grill, Das liegende Dreieck, Seelendimension S.185)


Die Kopf-Knie Stellung und die Dreigliederung

Diese Dreigliederung kann man in der Kopf-Knie-Stellung einen noch dynamischeren Ausdruck verleihen. Die Wirbelsäule als zentrale, dynamische Achse spielt in der Kopf-Knie-Stellung eine zentrale Rolle. Im Bereich der mittleren Wirbelsäule kann man sich besonders gut zentrieren. Umso besser man dort ein Zentrum findet, umso besser kann man eine ausströmende Dynamik in die ganze Yogaübung bringen.


Diese Stellung ist eine Stellung die sehr hohe Aktivität freisetzten kann. Indem man sich in der Mitte der Wirbelsäule zentriert und von dort aus nach vorne dynamisiert, kann man die Wirbelsäule mit einer großen Kraft in den Raum hinein lang wachsen. Es ist dafür hilfreich, eine bewusste Wahrnehmung zum äußeren Raum zu bewahren. Indem man sich sehr gut in der Mitte der Wirbelsäule zentriert, kann man mit großem Einsatz nach vorne streben.

Man bewahrt in den Armen, dem Kopf und dem Hals eine Entspannung, baut aus der Mitte der Wirbelsäule die Spannkraft auf und zentriert sich mit gutem Halt in der Hüfte. Man lernt hier nicht nur den ganzen Körper anzuspannnen, sondern sich bewusst zu gliedern und in der Wirbelsäule zu zentrieren. Man erlebt einen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, sich sehr gut in Mitte der Wirbelsäule zu zentrieren und dich dadurch mit Hilfe eines geschaffenen Zentrums zu dynamisieren. Dynamik und Zentrum arbeiten hier hochaktiv und lebendig zusammen.

Wichtig ist, dass man noch vorne und heraus gleitet und sich nicht nach vorne beugt. Dabei ist es hilfreich, dass man die Wirbelsäule möglichst gerade lässt und nach vorne eine Spannkraft aufbaut, in der die Wirbelsäule nicht abknickt, sondern sich einen dynamischen Spannungsaufbau entwickeln kann.

“Gleiten Sie aus der Mitte des Rückens dynamisch nach vorne und lassen Sie die Schultern möglichst entspannt. Halten Sie für einige Zeit diese Spannung in der Vorbereitung, bis Sie schließlich nach einer weiten Dehnung und Intensivierung die Füße, die Knöchel oder die Schienbeine ergreifen können. Bei der Ausführung ist es wichtig, dass die größtmögliche Dehnung erziehlt wird und dabei die Grenze des Möglichen nach oben hin berschoben wird. Dieses Grenzüberschreiten ist ein wichtiger Teil der Übung.” (Heinz Grill, Der Neue Yogawille)


Eine Aktivität ist immer gegliedert. Das Sinnessystem beibt beobachtend, und in der Wirbelsäule und Mitte des Körpers entwickelt sich die Spannkraft, während der Körper selbst aber wieder als ruhige Basis wie ein Instrument behandelt und betrachtet wird.” (Heinz Grill, Der Neue Yogwille)


Die weite Dehnung und die Beindynamik


Eine ganz andere Bewegungsform entspricht der weiten Dehnung. In dieser Stellung kann man ein bewusste Dynamik in den Beinen entwickeln. Es ist ein fließenderer und weicherer Bewegungsansatz. Diese besteht in einem Wechselspiel von Ausgleiten, Fließen und Zusammenziehen und Sammeln. Diese Bewegungsdynamik baut sich zunehmend auf.

Man kann so in der weiten Dehnung eine großen und fließende Kraft entwickeln. Durch diese sich immer wiederholende Kreislaufbewegung entsteht eine fließende Dynamik und Kraft. Der Oberkörper kann umso leichter nach vorne gleiten, umso stärker die Beindynamik entwickelt wird.


Die Beinstellung und die Aufrichtekraft

Als Abschluss möchte ich hier noch die Beinstellung vorstellen. In der Beinstellung kann man einen deutlichen und anderen Zusammenhang von Kraft erleben. Indem sich in der Beinstellung der ganze Körper an den untersten Ende der Wirbelsäule, am Steißbein zurückzieht und dort zentriert, kann als Ergebnis eine neue, aufsteigende Kraft frei werden, die das andere Bein und die ganze Wirbelsäule vom untersten Punkt der Wirbelsäule nach oben hin aufrichtet oder regelrecht hinaufzieht. Man richtet sich nicht aus der Muskekraft primär auf und stemmt das Bein nach oben ,sondern man zieht sich sogar mit der Kraft zurück und merkt, wie das Bein als Ergebnis leicht und frei, wie von Selbst entgegen der Schwerkraft nach oben steigt.

“Die anmutige und auferichtete Beinstellung bewirkt eine Anregung in das Aufrichtevermögen des gesamten Körpers. Das Zentrum des Aufrichtens liegt zunächst einmal am untersten ende der Wirbelsäule. (…). der Körper selbst, obwohl er sich auf grazile Weise mit den Beinen aufrichtet, zieht sich in seinem Erdenwesen gewissermaßen zu einem Mittelpunkt zusammen und der Mensch wird spürbar besscheidener. In dieser Aufrichtebemühung, die aus einer Zusammenziehung im Mittelpunkt des Körpers oder in den unteren beiden Energiezentren eintritt, liegt die hervorragende und lehrreiche Bedeutung der asana.”(Heinz Grill, Seelendimension des Yoga)


Aus dem punktuellen Zentrieren und Zusammenziehen in den untersten Abschnitten der Wirbelsäule richtet sich das Bein und der Oberkörper auf

Das Entwickeln von neuen Ätherkräften durch ein Üben mit Vorstellungen

Indem man die Bewegungsformen bereits bewusst denkt, bereitet man sich innerlich schon auf die Übung vor und erzeugt eine Kraft. Durch das bewusste Denken und das Üben mit den Gedankeninhalten entsteht eine neue Kraft, für die Übung.

Da mit Yoga sehr häufig direkt Energieerwartungen verknüft werden und Yogaübungen heute oft als Energietechnikübungen oft betrachtet werden, ist gerade der Yoga mit seinen sehr künstlerischen Bewegungen in einer Weise zu einem unbewussteren Übungsfeld geworden. In dieser Übungsweise ist die Energie nicht unbewusst wie eine Grundenergie sondern man lernt die Kräfteformen bewusst zu entwickeln und zu gestalten. Durch das Üben mit diesen Vorstellungen entstehen bewusst wahrnehmbare neue (Äther)Kräfte. Mit diesen Kräften kann man in der Übung die Übung selbst ausformen und gestalten. Es können so zum einen neue und bewusste Empfindungen zum Körper entwickelt werden, man lernt größere Gesetze von Bewusstsein und Bewegung kennen, die man auf das Leben übertragen lernen kann.

“Je mehr sich jemand richtige Gedanken zur Übung aneingnet, desto mehr bringt er sinen Ätherleib in die spezifische und gewünschte Erkraftung. Immer ist es das Mittel der Wiederhohlung, das sowohl in der Praxis als auch in der mentalen Vorbereitung angewendet werden kann. Ätherkräfte sammeln sich durch wiederhohlte bewusste Tätigkeit.” (Heinz Grill, Der Neue Yogawille)

Das Prinzip der Wiederhohlung steht hier in Zusammenhang mit dem Bewusstsein. Indem man durch bewusster Vorstellung und regelmäßiger Widerhohlung arbeitet, kann man sich so einer Übung neu annähern und/oder diese erlernen. Dabei ist interessant, dass schon bereits mit der bewussten Vorstellungsbildung neue Kräfte entsteht und die Übung richtig gehend vorbereiten können.


Durch die bewussten Vorstellungen erlebt man sich gegenüber der Übung als schöpferisch und das stärkt das Bewusstsein

Der Prozess des sich gegenüber einer Sache zu erleben wirkt stärkend auf den Menschen, aber warum? Indem man sich gegenüber einer Sache bewusst erlebt, wird man in seinem Bewussstsein herausgefordert. Man muss sich bewusst einer Sache gegenüberstellen.

Indem man sich im Yoga gegenüber dem eigene Körper erlebt, erlebt man sich gewissermaßen auf einer freieren und schöpferischen Stufe. Man erlebt sich im Spiegel des Objekts, des Körpers. Man erlebt sich nicht im Körper und in seinen subjektiven Gefühlen sondern man erlebt den Körper als Objekt der künstlerischen Gestaltung. Es ist somit ein sehr hoher Bewusstseinsprozess.

Durch das Üben mit Vorstellungen ist eine künstlerische, schöpferische und ganzheitliche Vorgehensweisen kann ein tieferes Bewusstsein und eine seelische Beziehung zur Übung entwickelt werden kann. Dem Objekt, dem eigenen Körper in der der Yogaübung bewusst gegenüberzutreten, diesen bewusst wahrzunehmen und zu erleben ist bei dieser Übungsweise wesentlich. Man bleibt im Bewusstsein gegenüber dem äußeren Raum offen und kann so auch leichter in der Übung die Idee und die Vorstellung bewusst bewahren, mit dem Körper abgleichen und gestalten. Man lernt dass die Leistung aus einer eigenen schöpferischen Entscheidung und Handlung entsteht. Diese Selbstaktivität, die Selbstaktivität aus dem Bewusstsein vermag den Menschen zu stärken.

Es ist eine integrative Übungsweise, die den ganzen Menschen und das ganze Bewusstsein des Menschen als aktives Instrument fordert und fördert und stärkt.Indem man die Übung bewusst gestaltet, wird man sich sowohl gegenüber dem eigenen Körper bewusst, gegenüber seiner Persönlichkeit wie auch gegenüber dem äußeren Raum. Man erlebt die Übung und den eigenen Körper wie ein Bild bewusst im Raum, das man betrachten und bewusst gestalten kann. Wenn man hingegen nur noch mit seinem Gefühlen und seinem Bewusstsein in den körperlichen Gefühlen bei sich verharrt, fällt es sehr viel schwerer ein Bewusstsein gegenüber dem eigenen Körper zu bewahren und eine Dynamik in der Übung zu erzeugen.

“Der Übende, der seine Aufmerksamkeit nun auf diese und hier neu formulierte Weise entwickelt, gewusst eine unmittelbare Bewusstseinsaktivität und förder eine zunehmende schöpferische Kraft seines Willens, seines Fühlens und seines Denkens. Das Bewusstsein wird aus sich selbst tätig und formt seine Möglichkeiten im Sinne von Aufmerksamkeit, Hinwendung und Beziehungsaufnahme zu den verschiedenen Bereichen des Körpers und zu den Gedanken der asana.” (Heinz Grill, Ein Neuer Yogawille, S.34)

“Der Übende lernt, dass Zwang kein geeignetes Mittel zur Entwicklung einer Aktivität ist. Die Aktivität benötigt eine eigene Entscheidung und Bewusstheit. Dann wird die asana zur Freude. So lernt der Übende, dass mit jeder günstigen Aktivität, die aus eigenes Entscheidung getroffen wird, eine stärkende Formung für den Körper entsteht.” (Heinz Grill, Ein Neuer Yogawille, S.34)

“Die denkende, vorstellende, die empfindsame und vertiefende Bewusstseinarbeit, und schließlich erst zuletzt die Praxis mit der Körperübung, führt zu der Entwicklung desjenigen Erlebens, das man als seelisch bezeichnen kann und das heute in seiner wahren Tiefe und in seinem möglichen und weiten Zusammenhang entdeckt werden soll, um die materialistische Zeit von innen heraus tatsächlich zu überwinden.”

(Heinz Grill, Die Seelendimension des Yoga)

“Das Bewusstsein ist ein feines, psychisches Instrument, das in allen Phasen der Übung beteiligt ist. Es unterliebt der eignen Führung und kann durch eine gezielte Konzentration auf die motorische Bewegung einen Einfluss ausüben. Aber es bleibt auch dann, wenn die Übung einmal bekannt ist und die Fähigkeit der Ausführung steigt, in einem feinen sensorischen Empfangen. Schließlich erfolgt die konzentrierte Schulung des Bewusstseins zu einer freien Wahrnehmung gegenüber den eigenen Körpergefühlen. Es nimmt durch die Kraft des Geistes die Warte des beobachtenden Zeugen ein, der nicht mehr in den Tatbestand verwickelt ist. Durch diese Beobachtung entwickelt sich auch das Vermögen, den Körper in der Haltung auf sanfte Weise zu verbessern und einzelne Bereiche duch gezielte Wahrnehmung zu entspannen. ” (Heinz Grill, Ein Neuer Yogawille, S.24)

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